Heddesheim/Koblenz, 29. März 2011. Die Rhein-Zeitung (RZ) erfindet die „Partei der Nicht-Wähler“ und findet heraus, dass diese die „größte Partei“ bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz stellen. Leider macht die Rhein-Zeitung damit ihren Leserinnen und Lesern klar, dass es innerhalb der Redaktion nur sehr eingeschränkte Basiskenntnisse des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland und des Parteiensystems sowie des Wahlsystems gibt.
Das ist für alle Leserinnen und Leser, die sich auf die Wahrhaftigkeit der Berichterstattung verlassen, leider bedauerlich – denn sie werden schlecht informiert.
Dokumentation meines Facebook-Kommentars zur Grafik der RZ, die der Chefredakteur Christian Lindner gepostet hat.
Lieber Herr Lindner,
es stimmt leider nix bei Ihrer Idee.
1. Alle Nicht-Wähler zusammengenommen sind genauso wenig eine „Partei“ wie die Wähler, die Parteien wählen.
Dieser Denkansatz ist leider vollständig unlogisch.
Wenn Sie Nicht-Wähler zu einer Partei machen, müssen logischerweise auch Wähler eine Partei sein.
Sind sie aber nicht, sondern Wähler wählen Parteien oder Einzelkandidaten und Nicht-Wähler tun das nicht.
2. Sogar, wenn man diese Unlogik als Axiom verwendete, um sie logisch weiterzudenken, ist die Aussage falsch.
Wenn Sie also die Nicht-Wähler zur „Partei“ machen, müssen Sie alle Wähler ebenfalls zur Partei machen und schwupsdiewups sind die Wähler die deutlich größere Partei.
Ich finde „gegengebürstete“ Denkansätze und Kreativität klasse. Insofern gefällt mir Ihr Bemühen.
Aber nicht jede Idee ist gleich eine gute Idee. Und auch eine gut gemeinte Idee kann einen negativen Ausgang nehmen.
Beispielsweise den, die eigenen Leserinnen und Leser mit Quatsch zu behelligen.
Bevor Sie so ein Zeugs veröffentlichen, sollten Sie den fachlichen Rat von Wissenschaftlern einholen, die Ihnen erklären, warum die „nette“ Idee keine gute Idee ist.
Dann erfahren Sie auch, dass auch Nicht-Wählen durchaus eine bewusste Entscheidung sein kann, die man genauso akzeptieren muss wie das Wählen einer bestimmten Partei durch einen Wähler.
Worauf Sie wahrscheinlich hinaus wollen, ist die Frage der Legitimität, ab wann eine „Wahl“ aufgrund des Wählerverhaltens als nicht mehr demokratisch angenommen werden muss.
Beispielsweise bei diktatorisch verfügtem Wahlverhalten und keiner freien Auswahl, siehe DDR oder bei Wahlbeteiligungen unterhalb der Hälfte, einem Drittel, einem Viertel der Wahlberechtigten. Das ist ein weites Feld – was sich leider nicht in einer kleinen hübschen Grafik mal eben demonstrieren lässt.
38,2 Prozent Nicht-Wähler kann aber auch eine Aufforderung sein: An die bestehenden Parteien, sich um deren Stimmen zu bewerben (was Grün gelungen ist, die vormalige Nicht-Wähler mobilisieren konnten) oder an neue Parteien mit demselben Ziel.
Folge mir!