Mannheim, 04. Februar 2014. (red) Lange Zeit waren lokaljournalistische Blogs oder Internetzeitungen ein vieldiskutiertes Thema. Im Grunde gibt es drei Lager. Die, die viel darüber reden, die, die misstrauisch beäugen und die, die sie einfach machen. Über mich und mein Heddesheimblog ist viel berichtet worden und viele gucken bis heute misstrauisch drauf. Nach fast fünf Jahren ist es mal Zeit, Bilanz zu ziehen. Und die fällt nicht nur positiv aus.
Von Hardy Prothmann
Vor kurzem postete jemand an die FB-Seite von istlokal.de, ob denn dieser Verbund nur aus drei Mitgliedern bestehe. Tut er nicht, aber drei Dutzend sind es auch nicht.
Istlokal.de sollte mal ein Verein sein, in dem sich Macher von neuen lokaljournalistischen Produkten zusammentun. Als Verein wurde das nichts – also habe ich mit Peter Posztos eine Firma draus gemacht. Wir bieten eine speziell auf lokale Bedürfnisse programmierte WordPress-Installation an, vermieten diese zu einem guten Preis, dazu gibt es einen Newsletter, ein Forum und Beratung für die Kunden.
Der Kreis der bisherigen Kunden ist überschaubar, aber alle sind anschauenswert und bieten solide, interessante, nutzwertige Informationen. Eben guten Lokaljournalismus. Die istlokal-Angebote werden mit viel Leidenschaft gemacht.
Wie machen die das?
In anderen Medien tauchen immer wieder die Tegernseerstimme.de von Peter Posztos auf sowie das Heddesheimblog.de von mir. Dazu die Kooperationspartner, die keine Kunden von istlokal sind, wie die Prenzlauerberg-Nachrichten.de, Regensburg-digital.de. Ab und an ist noch von Meinesuedstadt.de die Rede oder von 16vor.de und ganz aktuell viel vom Bürgerblick in Passau und Hubert Denk, gegen den die Staatsanwaltschaft jahrelang ermittelte. Weil er aufklärerischen Journalismus macht. Mit einem Wort: Der Markt ist noch sehr überschaubar. Eine breite Revolution geht anders.
Woran hängt das? An vielem. An Journalisten, die sich lieber ans Bewährte halten und die bekannten Angebote immer wieder ansteuern. Aber auch daran, dass die, die oft besprochen werden erstens ein Interesse daran haben, besprochen zu werden und sich – das ist wichtiger – viel Mühe geben, gut zu sein. Leistung zu zeigen. Mit Journalismus zu überzeugen. Und manche machen sogar schon gute Umsätze. Peter Posztos und ich sowie Stefan Aigner und Philipp Schwörbel beispielsweise arbeiten hart und haben allesamt keine Probleme, uns, die Mitarbeiter und das, was wir leisten, auch öffentlich darzustellen.
Erfolg vs. heiße Luft
Und manche von uns riskieren was. Denk, Aigner und ich dürften die am häufigsten abgemahnten „Blogger“ deutschlandweit sein. Nach Zahl der Abmahnungen und Höhe der Streitwerte. Darauf ist keiner stolz. Die Abmahnungen behindern die Arbeit, weil sie nicht nur geschäftlich, sondern auch emotional belasten. Fast immer haben wir gewonnen – weil wir gute Arbeit machen und die Angreifer zwar angreifen, aber selten gewinnen.
Neben den Schaffern gibt es jede Menge Babbler. Die treiben sich bevorzugt auf Kongressen herum, pumpen heiße Luft in den Raum und reden meistens über was, was sie selbst weder können noch bieten: Journalismus. Vor allem Lokaljournalismus.
Bei mir um die Ecke heißt das Leimenblog.de – bestens geeignet, um sich sofort Augenkrebs einzufangen. Ein fürchterliches Angebot. Ebenso Vtaktuell.net. Ein Rohrkrepierer. Dann fallen mir noch die Weilburger-Nachrichten.de ein. Oho, was waren die laut und wussten alles, was man lokaljournalistisch so anpacken muss, als sie in der Gründungsphase von istlokal das große Wort führten. Leider ein totaler Reinfall. Das Mittelhessenblog.de wünscht auch am 4. Februar 2014 noch Frohe Weihnachten 2013. Soll man sowas ernst nehmen? Und da ist da noch der vom MediumMagazin als „Newcomer“ geehrte Julian Heck aus Weiterstadt. Ex-Praktikant bei mir, Ex-Istlokaler, eifrig am Netzwerken und Nachplappern, um sich als „Experte“ selbst darzustellen. Journalistisch ist der junge Mann aber komplett ahnungs- und wirkungslos. Hat jemand, der ihn für einen Experten hält, sich mal angeschaut, was er so produziert und vorlegt? Oder überlegt, wie frisch, innovativ oder durchdacht seine Babbelei ist?
Julia Engelmann redet zwar über irgendetwas anderes, was sich jeder irgendwie zusammenreimen kann. Aber es trifft 100 Prozent auf die Journalismus-Babbler zu. “ (…) Eines Tages werde ich an all die Geschichten denken, die ich hätte erzählen können. (…) Eines Tages werden wir Geschichten schreiben, die für immer unsere sind.“ Wow. Schon mal überlegt, warum JE so viele „Journalisten“ so angefixt hat? Warum so viele „Medien“ so begeistert waren? Spricht sie direkt aus der tiefsten aller tiefsten Djurnalischden-Seelen?“
Böser, böser Prothmann
Jaja, da schreibt wieder der böse Prothmann, dem es ein Bedürfnis ist, andere in Tonne zu kloppen. Und der arme Student, der ist doch noch so jung. Sorry, Scherzkekse, das könnt Ihr so oft wiederholen, wie Ihr wollt. Es wird nicht richtig. Ich scheue mich nur nicht vor einem offenen Wort. Egal, ob es um einen Studenten oder einen nordbayerischen selbstinszenierenden Plagiator geht. Ab 18 ist man erwachsen und wenn man den öffentlichen Raum sucht, muss man sich dem auch stellen.
Ich gucke hin, überprüfe und schreibe dann über das, was ist oder nicht ist. Und mein Fazit aktuell ist: Es gibt leider verdammt wenig gut gemachte lokaljournalistische Blogs.  Das freut jetzt vielleicht einige Zeitungsleute. Aber hallo: Es gibt leider auch verdammt wenig gut gemachte Lokalzeitungen, es gibt so gut wie kein richtig gut gemachtes Online-Portal einer Lokalzeitung vor dem Hintergrund bestehender Strukturen, Inhalte und häufig auch noch viel Geld. Das Grinsen kann also direkt wieder einfrieren.
Aktuell hat sich beim Forum Lokaljournalismus vor allem die Printbranche mal wieder so richtig gefeiert. Die Bundeszentrale für politische Bilderung versagt vollständig, denn dort hat man bis heute nicht bemerkt, dass die Zukunft des Journalismus online gestaltet wird und auch von Nicht-Zeitungshäusern. Junge Menschen werden von diesen Medien schon lange nicht mehr erreicht. Und wenn über 60-jährige noch nicht „politisch gebildet“ sind, kann man die Hoffnung aufgeben. Aber genau hier pumpt die Einrichtung ihre Steuergelder rein. Noch so eine Heiße-Luft-Veranstaltung ist Besser online, wo überwiegend Funktionäre oder Schnachnasen oder beides das große Wort führen. Viel müsste, könnte, sollte gebabbelt wird, aber nichts entsteht. Und die Medienpolitik? Welche Medienpolitik bitte? Ich hab echt genug von den „man-müsste-doch-mal-Babblern“. Macht – oder haltet die Schnauze.
Weite Räume
Erstaunlich ist, dass die Mehrzahl von lokaljournalistischen Projekte bislang süddeutsch ist. Was geht in Frankfurt? Was in Düsseldorf, in Hannover, in Dreden, in Kassel, in Bonn, in Saarbrücken? In Hamburg gibt es seit langem Altona.info. Nie gehört? Macht nix. HH-mittendrin.de zeigt interessante Ansätze, mehr aber auch nicht. Und im riesigen Berlin gibt es gerade Mal zwei, drei interessante Angebote. Aber auch München ist kahl, ebenso Nürnberg, Augsburg oder Ulm und Stuttgart oder Freiburg.
In Mainz hat gerade die Rhein-Zeitung mehr oder weniger klammheimlich die Mainzer Ausgabe abgeschlossen. Springt jemand in die Lücke? Sieht nicht danach aus.
Ein ehemaliger Praktikant im Bayerischen berichtet mir, seine Kommiliton/innen wüssten schon genau, dass sie nach dem Studium beim Spiegel, der Süddeutschen, der ARD oder sonstwelcher „renommierter“ Adressen arbeiten würden. Hallo? Kriegen die nicht mit, wie der Arbeitsmarkt aussieht?
Harte Zeiten
Der Journalismus, auch der Lokaljournalismus, haben harte Zeiten vor sich. Unter Umständen knallharte. Die Zeitungshäuser und die AV-Medien werden immer weniger Leute beschäftigen. Der viel größere Teil derer, die als Journalisten arbeiten wollen, haben nur im Lokalen eine Chance und nur als unternehmerische Journalisten, die selbst oder mit anderen was aufziehen.
Genug Platz ist da, weil immer mehr Platz gemacht wird. Man muss das nur wollen. Und sich an denen orientieren, die was schaffen und aufbauen. Wenn ich mir anschaue, wie viele mein Heddesheimblog.de kopieren oder sich an istlokal.de „orientieren“, machen wir wenig falsch (passiert trotzdem) und viel richtig.
Wer es in der heutigen Zeit schafft, sich mehrere hundert oder tausend regelmäßige Leser/innen zu erarbeiten, ist erfolgreich. Der Blick auf Clickzahlen-Huren wie Bild.de oder Spiegel.de lohnt nicht. Da boxt im Lokalen niemand mit – das interessiert „vor Ort“ auch nicht.
Lokalmedien sind Fachmedien
Vor Ort gibt es aber die meisten interessanten Themen für insgesamt überschaubare Reichweiten. Hier muss ein Umdenken einsetzen. Das muss man auch den Kunden erklären. Eigentlich sollten die Argumente bekannt sein – Lokalmedien sind Fachmedien für spitze Zielgruppen. Man muss sich einen Namen machen und hart dafür arbeiten.
Deswegen habe ich Respekt vor denen, die was leisten, darunter viele bei istlokal.de. Ob sich das irgendwann lohnt? Es lohnt sich schon jetzt, weil man etwas leistet, was einem niemand nimmt. Weil man Gesellschaft mit gestaltet und sich beteiligt. Ob daraus Traditionshäuser werden? Mal schauen.
Leider haben viele noch nicht die istlokal-Idee verstanden. Ist so ne Art soziales Unternehmertum. Man hilft sich, um sich selbst zu helfen. Man vernetzt sich, um Ressourcen zu teilen und zu nutzen. Zum eigenen Vorteil und dem anderer.
Neulich sagte jemand in Weinheim zu mir: „Hardy, keine Ahnung, wie ich das deuten soll. Angeblich lesen nur wenige, die ich kenne und ich kenne viele, das Weinheimblog.de. Aber alle wissen, was drinsteht und reden drüber.“
Klingt wie Bild. Die liest ja angeblich auch keiner. Mein Team und ich schaffen hart und viel. Und die Menschen reden drüber. Das ist, was ich als Erfolg bezeichne.
Den Babblern überlasse ich das weite Feld mit heißer Luft. Geht pumpen.
P.S. Und was ich gar nicht leiden kann, sind Nachbabbler, die so tun, als wäre ihnen was eingefallen. Ich denke, alle, die ich meine, wissen selbst, wen ich meine.
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