Heddesheim/Stuttgart, 03. August 2011. Seit ein paar Wochen streiken Redakteure der Tageszeitungen, die beim Deutschen Journalisten-Verband und der Deutschen Journalisten-Union (verdi) gewerkschaftlich organisiert sind. Das hat kuriose Folgen. Plötzlich entdecken sie das Internet und hier Blogs und youtube für die „gute Sache“.
Von Hardy Prothmann
Die streikenden Redakteure der Stuttgarter Zeitung haben ein Streikblog0711 aufgelegt. Hier gibts die allerneuesten, alleraktuellsten Nachrichten über den Streik und die Forderungen der Zeitungsschreiber. Willkommen im Internet. Willkommen bei dem, was Zeitungsredakteure unter „Qualitätsjournalismus“ verstehen – denn dafür streiken sie angeblich.
Aktionen, Autorentexte, Ergebnisse, Reaktionen, Solidarität und Stimmungsbilder haben sie als Kategorien angelegt.
Sie streiken für „guten Journalismus“, denn der hat ihrer Meinung nach „einen Wert“.
Was die streikenden Redakteure unter „gutem Journalismus“ verstehen, zeigen sie eindrucksvoll mit den dort veröffentlichten Informationen.
So organisieren sie einen „eingeübten Flashmob„, für dessen Einstudieren „leider nur wenig Zeit war“.
Wie in einer Kapelle auf offener Straße skandieren sie eine Art „Gebotsliste“.
Die Inszenierung dokumentieren sie filmisch – in etwa auf dem Niveau eines Urlaubsfilmers, der zum ersten Mal seine Kamera ausprobiert und stellen das Video ins Internet: „Der Streik bei Youtube.“ (sic!) In dem Beitrag gibt es allerdings keinerlei Informationen über den Streik bei youtube.
Dafür hat man vorbildlich Twitter- und Facebook-Buttons auf den Seiten eingebaut, was aber kaum einer nutzt. Ebensowenig die Kommentare. Aber die wenigen haben es in sich – von „Solidarisierung“ kaum eine Spur.
Was hingegen die Redakteure genau mit „Solidarität heißt nicht, immer einer Meinung zu sein“ meinen, schreiben sie auch auf. So die Verwunderung, dass angeblich schwarz-gelbe Abonnenten die Zeitung gekündigt hätten, weil die Zeitung gegen S21 schreibt, nachdem sehr viele die Zeitung gekündigt hatten, weil diese für S21 geschrieben hatte. Nach außen soll das so wirken, als hätten die Redakteure das ganze Meinungsspektrum abgedeckt.
Tatsächlich stimmt wohl eher, dass man erst auf S21 „eingenordet“ war und als man die Folgen spürte, schnell einen Salto rückwärts versuchte, der dann die andere Seite pikiert hat.
Und dann hat man es auch noch mit Kommentatoren zu tun, die statt „solidarisch zu sein“, sich erdreisten, Kritik zu üben:
Die Reaktion ist bezeichnend – der Kommentator hat „den Kern der Diskussion“ nicht verstanden. Ob der Redakteur verstanden hat, dass der Kommentator garantiert kein Abonennent mehr wird oder wenn er einer ist, eher kündigt, lassen wir mal offen.
Dabei ist der Streikblog der „Stuttgarter“ noch vergleichsweise „umfangreich“ gegenüber dem, was der Mannheimer Morgen anbietet. Der macht das, was er am besten kann: Pressemitteilungen veröffentlichen.
Dazu gibts ein paar Bildchen und die Sensation, dass Xavier Naidoo und ein paar andere Künstler für die Streikenden singen.
Auch die ausständigen Redakteure der Südwestpresse bloggen mit einem Mal im Internet und veröffentlichen „sieben Thesen“ (sic!) für guten Journalismus:
Fest steht, dass die Zeitungsredakteure lieber Flugblätter drucken lassen sollten, denn mit dem Internet haben sie es nicht so.
Und die sieben Thesen der Südwestpresse-Redakteure – die können nach dem Streik dann mal endlich umgesetzt werden. Die Hoffnung stirbt allerdings bekanntlich zuletzt.
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