Heddesheim/Würzburg, 07. August 2011. Die Würzburger Main-Post hat zumindest in Unterfranken der Pressefreiheit einen großen Dienst erwiesen. Nach intensiven Verhandlungen der Chefredaktion der Main-Post und des beauftragten Medienrechtlers Dr. Johannes Weberling (Berlin) mit der Bezirksregierung Unterfranken informiert diese nun Landkreise und Kommunen über einen weitgehenden Auskunftsanspruch der Presse.
Von Hardy Prothmann
Überall in Deutschland wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Gemeinderäte, Kreisräte und andere Gremien verhandeln bevorzugt nicht-öffentlich. Damit sind die Gremienmitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet und die Medien, beziehungsweise die Öffentlichkeit, wird üblicherweise erst informiert, wenn die Beschlüsse schon gefasst sind oder eine Beschlussfassung kurz bevorsteht.
Eine öffentliche Meinungsbildung und eine eventuell gewünschte Einflussnahme durch Bürgerbeteiligung ist bei dieser Praxis meist nicht mehr möglich.
Die Bezierksregierung Unterfranken hat sich offensichtlich nicht leicht getan – wozu hätte es sonst „intensiver“ Verhandlungen bedurft? Aber immerhin: Gemeinden, Kreise und Bürgermeister werden zumindest über einen weitergehenden Informationsanspruch der Medien informiert. Ob das in der Praxis auch so gehandhabt wird, bleibt abzuwarten.
Trotzdem sollte man der Chefredaktion der Main-Post dankbar sein. Und dem renommierten Medienrechtler Johannes Weberling. Zusammen hat man einen Durchbruch erreicht. Die Öffentlichkeit muss stärker informiert werden, als Verwaltungen das bislang „wünschten“. Und das ist gut so.
Auch in Baden-Württemberg und in anderen Bundesländern ist das Geheimhaltungsgehabe vieler „Amtlichen“ nahezu unterträglich. Statt einer Beteiligung der Öffentlichkeit und damit Bürgerbeteiligung wird hinter verschlossenen Türen – ja was? Der Vorwurf der Mauchelei steht im Raum. Aber auch der der Arroganz und Bürgerferne. Oder die Frage nach den „Fähigkeiten“ der „Geheimen“. Und das bedauerlichste: Auch kundige Bürgerinnen und Bürger, die sich mit ihrem Wissen vielleicht einbringen können und dadurch zu besseren und vielleicht auch günstigeren Entscheidungen verhelfen könnten, bleiben ausgesperrt.
Die Main-Post fragt eingangs ihres Artikels:
Was bewegt in der kleinen Gemeinde Sulzthal (Lkr. Bad Kissingen) den Bürgermeister, über eine Gebührenkalkulation für Wasser- und Abwasser nicht öffentlich beraten zu lassen? Es gibt doch nichts zu verbergen, wenn es um Geld geht, das die Ortsbürger zu bezahlen haben. Sich damit hinter verschlossene Türen zurückzuziehen, widerspricht demokratischen Grundsätzen und der Gemeindeordnung. Die verlangt meist öffentliche Beratungen und Abstimmungen.
Die Erkärung ist einfach. Im nicht-öffentlichen Raum fühlen sich beispielsweise Gemeinderäte „freier“. Hier wird alles vorverhandelt – es wird gecheckt, ob es die erforderlichen Mehrheiten gibt und sobald festgestellt, werden hier die Entschlüsse gefasst. Die tatsächliche Beschlussfassung in öffentlicher Sitzung ist meist eine Farce.
Man hält vorbereitete Reden und tut nur noch so, als „berate“ man sich. Wer dieses „Prozedere“ stört, gilt als Störenfried. Die Presse gilt als lästig. Ebenso die Öffentlichkeit.
Die Auswirkungen sind fatal: „Man kann doch eh nix machen“, denkt der Bürger. Die Politikverdrossenheit wächst. Aber die Zeiten ändern sich – siehe Stuttgart 21. Allerdings auch nicht unbedingt zum Guten – denn wenn der Volkszorn erstmal kocht, ist nur wenig Raum für vernünftige Debatten.
Aber es bleibt ein großer Zweifel: Nutzen die Medien diesen neuen Auskunftsanspruch auch praktisch oder geben sie sich mit der Theorie zufrieden? Die Main-Post hat durch Klagen deutlich gemacht, dass sie Auskunft beansprucht. Werden das aber auch andere tun? Man muss es hoffen.

Main-Post-Vize Antont Sahlender im Gespräch mit Hans-Georg Rüth, Leiter Allgemeine Verwaltung: "Im Zweifel zu Gunsten der Öffentlichkeit." Quelle: Main-Post
Und es bleiben Zweifel, ob andere Medienunternehmen mit dem nötigen „Kleingeld“ ebenfalls durch Verhandlungen oder zur Not auch Prozesse sich ihre Rechte sichern und diese nutzen. Leider steht zu befürchten, dass sich viele Chefredakteure in Hinterzimmergesprächen über die Inhalte von anderen Hinterzimmergesprächen informieren lassen und dann wissen, was die Öffentlichkeit wissen soll und was nicht.
Der Main-Post Chefredakteur Michael Reinhard und sein Stellvertreter Anton Sahlender sollten Vorbild für andere sein, sich Rechte, wenn nötig, zu erstreiten, statt sich fortwährend entrechten zu lassen. Auch Medien in anderen bayerischen Regierungsbezirken haben dazu nun die Möglichkeit. In Baden-Württemberg darf man auf die Grün-Rote Regierung hoffen.
Tatsächlich sieht die Wirklichkeit oft leider anders aus. Ein großes Übel sind „geschönte“ Berichterstattungen, das größere Übel die alltägliche Unterschlagung von Berichterstattung, wie sie viele Medien selbstverständlich betreiben, weil sie durch zu viele Interessengeflechte bereits jede Unabhängigkeit verloren haben. Sie wollen ihr Recht auf Information gar nicht wahrnehmen.
Link zum Artikel der Main-Post
Download des Rundschreibens der Bezirksregierung Unterfranken
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