Mannheim, 27. Januar 2018. (red/pro) Seit Jahren macht sich journalistische Medien Gedanken um die Finanzierung der Arbeit. Ganz vorne ist immer noch Werbung, aber wichtig erscheint die Frage, wie man die Leser/innen zum Zahlen bringen kann. Das Rheinneckarblog experimentiert damit und hat Erfolg.
Von Hardy Prothmann
Das von mir verantwortete Rheinneckarblog.de hat seit Oktober 2016 für einen Teil der Artikel eine Paywall. Dienstleister ist das österreichische Startup Selectyco. Man zahlt für einzelne Artikel zwischen 29 und 99 Cent. Den Preis können wir in der Redaktion für jeden Artikel festlegen, ebenso individuell, wie viel frei gelesen werden kann, bis die Paywall „abschneidet“.
Bei im Mittel 3.-5.000 Lesern pro Tag und rund fünf bis zehn Prozent zahlungswilligen Kunden kann man sich ausrechnen, was das einbringt – im Monat kommen wir auf einen mittleren dreistelligen Betrag. Tendenz steigend, aber nur kontinuierlich und nicht so erfreulich, dass dies unsere Arbeit finanzieren könnte.
Sehr gut entwickeln sich die Rheinneckarblogplus-Pässe. Kunden zahlen mindestens 60 Euro und bekommen dafür eine Flat bei Selectyco für ein Jahr. Das Geld geht auf unser Konto, Selectyco erhält einen Anteil als Gebühr. Das ist ein fester, kalkulierbarer Umsatz. Auch Unternehmen und Behörden benötigen Zugang, der wird monatlich für freigeschaltete Mitarbeiter abgerechnet, hier gilt eine Staffelgebühr nach Zahl der Zugänge.
Was sich erstaunlich entwickelt, ist ein Experiment, das eher einer „Motzhaltung“ entsprungen ist. Motto: Ihr wollt alles umsonst? Nicht mit mir. Erst zahlen, dann wird geliefert. Der erste Versuchsballon brauchte zwei Monate, um die geforderten 160 Euro zu erreichen, es wurden dann rund 220 Euro.
Für heute habe ich keinen Bock mehr. Journalisten müssen auch mal schlafen.
Wenn Sie den Artikel zu Ende lesen wollen, motivieren Sie mich bitte. Sie zahlen 99 Cent dafür, dafür bekommen Sie nirgends einen Kaffee. Ein Kaffee mag ein wenig wach machen, unsere Infos machen seit vielen Jahren garantiert wach und erweitern Ihr Bewusstsein. Wenn bis Dienstag 18 Uhr rund 100 Euro zusammenkommen, gibt es die umfangreiche Story. Sonst nur Standard, der lohnt sich aber auch. (Stand, 27. Januar 2018, 21:46 Uhr: 164,64 Euro)
Sehr geil. Bis gegen 21 Uhr am folgenden Tag waren rund 120 Euro eingegangen. Acht größere Beträge über Paypal, der Rest über Selectyco.
Im Dezember hatte ich einen Text, den ich offen gelassen habe – mit der Aufforderung, doch bitte zu bezahlen, wenn er gefällt. Es kam 1.600 Euro rein: EINTAUSENDSECHSHUNDERT Euro. Das ist einer der bestbezahltesten Einzeltexte in meiner fast 30-jährigen Laufbahn als Journalist! Und die Leser zahlten FREIWILLIG!
Über Zahlungen für andere Artikel kamen in Summe knapp 2.400 Euro im Dezember rein.
Die Frage ist: Wie kann man das so ausbauen, dass das „kalkulierbar“ wird?
Einige Faktoren müssen klar vorhanden sein: Eine gewisse Bekanntheit als seriöser Journalist. Ein Vertrauen der Leser/innen in die Inhalte. Ein Top-Thema und eine ansprechende Umsetzung.
Aktuell erwirtschaftet das Rheinneckarblog über fünfzehn Prozent der Umsätze mit Paywall und freiwilligen Zahlungen – das steigert sich Jahr für Jahr.
Ich bin fest davon überzeugt, dass da draußen genug Menschen sind, die journalistische Leistung schätzen und dafür auch gerne zahlen. Nicht, weil man deren „Geschmack“ trifft, sondern weil man sie gut informiert.
Wenn die Menschen wissen, dass sie gut unterrichtet werden, ist ihnen das auch „Geld wert“. So gesehen ist das eine sehr gute Entwicklung für „Qualitätsjournalismus“, der sich am Markt beweisen muss. Ich sehe das sportlich und freue mich sehr über diese Erfolge.
Übrigens: Meine Erfahrungen sind auch wertvoll und ich bin buchbar, um sie mit anderen zu teilen. Anfragen an chefredaktion (at) rheinneckarblog.de
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