Als ich das erste Mal den Ausdruck „Journalist als Marke“ gelesen habe, ging sofort die Assoziationskette los: Neue Briefmarke, Rabattmarke, Duftmarke, Erkennungsmarke… und was man sonst noch alles mit „mark“ kombinieren kann.
Und mir viel sofort mein lieber Kollege Rolf Karepin ein, der, als er noch in Mannheim wohnte, ein Nummernschild hatte, das so anfing: MA-RK.
Ich bin kein Nummernschild, und keine Briefmarke und schon gar keine Rabattmarke, sondern Journalist.
Gegenüber den „Großen“ der Branche, also Frank Schirrmacher von der FAZ, der sich wie ich auch mit dem Internet, aber vielmehr als ich mit Algorithmen befasst oder einem Hans-Ulrich Jörges, der sich mit wahrscheinlich nachkolorierten Augen (Markenbildung!), in der Süddeutschen Zeitung über die „Zukunft des Journalismus“ auslässt und auch vom „Journalisten als Marke“ was schreibt, bin ich ein kleines Licht.
Aber eins, das durchaus wahrgenommen wird.
Warum? Ganz einfach – weil ich die Graswurzel bearbeite. Ich mache seit einem Jahr (wieder) Lokaljournalismus. Arbeite also da, wo die Menschen sind.
Motto: Tue Gutes und rede darüber.
Und dabei nehme ich teilweise den Mund ganz schön voll: Zukunft des Lokaljournalismus, Qualitätsjournalismus, Professioneller Journalismus, Echter Journalismus. Je „markiger“ der Ausdruck, desto lieber verwende ich ihn.
Warum?
Ganz einfach: Ich mache „Marke“ting. Wenns sein muss auch für mich.
Dabei ist mir meine Person vollkommen egal. Es geht nicht um Persönliches, es geht ums Geschäft.
Mein Geschäft ist: Informationen sammeln, aufbereiten, veröffentlichen.
Privat ist mein Name Hardy Prothmann. Meine Frau nennt mich Schatz, die Kinder Papa, meine Freunde haben Spitznamen für mich.
Draußen ist mein Name auch Hardy Prothmann – aber im Gegensatz zur Familie werde ich als Journalist wahrgenommen. Denn das ist meine Funktion.
Die Menschen draußen nehmen mich auch als Menschen wahr – denn das bin ich neben der Funktion.
Und beides fülle ich so gut aus, wie ich kann.
Und mit der Funktion versuche ich Geld zu verdienen.
Aber bin ich deswegen eine Marke? Wohl kaum. Mein Name ist den Menschen ein Begriff. Er (oder ich) steht für etwas.
Wenn ich als journalistische Marke aber nur für mich alleine stehe – wären meine Marktchancen ziemlich eingeschränkt.
Wenn ich versuchen würde, mich als Journalist beim Marken- und Patentamt einzutragen, wäre ich ziemlich chancenlos.
Wenn Jeff Jarvis hingegen vom „Unternehmer-Journalisten“ spricht, kann ich damit etwas anfangen. Denn das ist, was ich mache.
Meine Unternehmung, das, was ich unternehme, ist Journalismus.
Mein Produkt – journalistisch aufbereitete Information – hat eine gewisse Qualität. Und ist deswegen Qualitätsjournalismus. So gut oder so schlecht wie in der SZ, der FAZ, der BILD oder spiegel.de.
Habe ich schon wieder das Maul zu voll genommen?
Dann frage ich alle die, die von Qualität quatschen, was diese ist? BILD ist in Europa der Maßstab aller Dinge, denn die BILD ist die meistverkaufteste Zeitung. BILD ist somit die SUPER-QUALITÄTSZEITUNG.- Wenn Masse aber das Gegenteil von Qualität ist, dann müsste die schlechtverkaufteste Zeitung die Qualitätszeitung schlechthin sein.
Wenn viel oder wenig kein Maßstab sind, dann muss es einen objektiven, wissenschaftlichen Standard geben, der die Qualität als Qualität definiert und jede Zeitungsausgabe müsste jeden Tag darauf geprüft werden, so wie Tomatendosen oder Katzenfutter auf ihre Inhaltsstoffe, bevor sie in den Handel gelangen. Ich vermute, die Auflagen würden unter solchen Bedingungen sehr schwankungsanfällig sein – bei ausnahmslos allen Zeitungen. Dasselbe dürfte für Radio- und Fernsehsender und die Sendedauer gelten.
Und natürlich für alle blogs, Internetauftritte und was weiß ich, was es noch gibt – ahja, das iPad.
Hugo Boss ist eine Marke. Wahrscheinlich gab oder gibt es dahinter auch einen Menschen. Aber Hugo Boss ist eine Marke.
Und die verkauft Hemden, Anzüge undsoweiter – jedes Jahr gibt es eine neue Kollektion, für die eines gilt. Immer derselbe Schnitt, immer dieselbe „Qualität“.
Mal angenommen, Hardy Prothmann wäre eine Marke. Würde dann gelten, jedes Jahr eine neue Kollektion, mit der immer gleichen Qualität, also demselben Text?
Wohl kaum.
Tatsächlich ist das aber so: Jeden Tag verkaufen Zeitungen die immer gleiche Marke, die massenproduzierten Artikel der Nachrichtenagenturen.
Manche sind dabei so frech und fälschen die „Marke“, indem sie ein, zwei Sätze umschreiben und dann ihren Namen drauf kleben. Das ist eine Art von Markenpiraterie.
Mein Journalismus ist das nicht. Mein Journalismus ist „original“.
Journalismus ist für mich deshalb frei von einer industriellen Marken(massen)qualität.
Journalismus gründet auf den Artikel 5 Grundgesetz über die Meinungsfreiheit.
Und die ist vielfältig und hoffentlich nie nur Masse.
Meinungsfreiheit und -vielfalt ist die einzige Marke, die mich interessiert. Ich möchte mir meine Meinung bilden und anderen Menschen helfen, sich ihre bilden zu können.
Das mache ich transparent und auch abhängig vom Markt. Wenn mich keiner dafür bezahlt, bin ich entweder reich oder habe im Lotto gewonnen oder gebe irgendwann auf.
Selbstverständlich bin ich auf Werbeeinnahmen angewiesen, darüber hinaus kann ich mir noch andere Erlösmodelle überlegen, wie mein „Marken“-Journalismus finanziert wird.
Und selbstverständlich hoffe ich auf eins, was schon immer gegolten hat: Wenn meine Kunden, die Leserinnen und Leser meine Markenprodukte, also Texte, Töne, Filme, Bilder als gute Qualität einstufen, werden dies auch die werbenden Unternehmen tun, die sich in diesem Umfeld wohl fühlen, weil sie von dem positiven Image profitieren.
Die Debatte um Qualitätsjournalismus und Glaubwürdigkeit im Zusammenhang mit technischen Plattformen ist langweilig und irreführend.
Die Massenmedien Zeitung, Radio und Fernsehen sind tradiert noch immer führend. Aber diese Führung verliert rapide. Zuerst verloren die Zeitungen ans Radio, dann ans Fernsehen und nun alle drei ans Internet.
Kann sich noch jemand an die Debatten um CNN und später die arabischen Nachfolger erinnern? Keine Chance war allenthalben die meistverbreiteste Meinung. Heute senden sie alle und werden alle als Quelle anerkannt.
Dasselbe passiert im Internet. Im Großen wie bei den führenden Nachrichten-Sites, wie im Kleinen, also bei mir und meinen lokaljournalistischen Angeboten und bei anderen Kollegen, die auch in den Markt drängen.
epd Medien hatte scherzhaft angekündigt, wann es wohl an der Zeit ist, dass ich den Mannheimer Morgen übernehme.
Ganz ehrlich?
Die Antwort ist einfach. Ich habe am Mannheimer Morgen kein Interesse.
Ich mache Qualitätsjournalismus und keinen Bratwurstjournalismus.
Hätte ich in Bratwürste investieren wollen, wäre ich Metzger geworden.
Und hätte mir irgendwann die Marke „Hardys Hartwurst“ eintragen lassen.
Ich bin aber Journalist, die einzige Marke, die ich setzen kann, sind gute Stories.
Wie schon immer ist die Währung, die man dann verkauft, die Aufmerksamkeit oder anders: Schmeckt den Kunden, was man anbietet?
Ich bin keine Marke – aber wenn es sein muss, nenne ich meine blogs „Hardys Hartwurst“ im Gegensatz zu Bratwurst-Einerlei.
„Hardy Hartwurst“ ist knackig, schmackhaft und unverwechselbar lecker.
Die Inhaltsstoffe regelt Artikel 5 GG. Neben „Hardys Hartwurst“ sind deshalb auch fettige Bratwürste anderer Hersteller erlaubt.
Es geht um die Frage des eigenen Qualitätsanspruchs und was die Kunden wollen.
Und natürlich bin ich von der Marke „Hardys Hartwurst“ überzeugt.
Bratwurst kann jeder – „Hardys Hartwurst“ ist beste Qualität. Garantiert.
–Â
Folge mir!