Samstag, 23. September 2023

Der teuerste Artikel meiner Karriere

Mit Spannung habe ich auf den Bescheid vom Landgericht Mannheim gewartet: 300 Euro also kostet mich das „Versehen“ nicht auf eine einstweilige Verfügung reagiert zu haben. Der gegnerische Anwalt Kurt Braun hatte im Auftrag seiner Mandantin Anja Görlitz, Redakteurin des Mannheimer Morgen (MM), ein Ordnungsgeld von 3.000 Euro gegen mich gefordert.

Ich habe als Student und freier Mitarbeiter mal beim Mannheimer Morgen mit dem Journalismus angefangen. 1991-1994. Danach hatte ich bis 2009 mit der Zeitung nichts mehr zu tun. Seit 2009 berichte ich im http://heddesheimblog.de über Heddesheim – eine kleine Gemeinde in Nordbaden. Frau Görlitz ist für den MM hier zuständig. Und ich kritisiere sie seitdem häufig für ihre Berichterstattung, manchmal habe ich sie auch gelobt.

Doch der Reihe nach.

Am 21. Februar 2010 erschien mein Kommentar „Das Drama der journalistischen Prostitution“ auf dem http://heddesheimblog.de. Darin habe ich gewisse Vergleiche zwischen dem ältesten Gewerbe der Welt und der Arbeit von Frau Görlitz angestellt – symbolisch, metaphorisch. In keinem Satz habe ich behauptet, dass Frau Görlitz etwas mit dem „ältesten Gewerbe der Welt zu tun haben könnte“. Solche Schlüsse standen nicht in meinem Text, sondern entstanden in manchen lesenden Köpfen. Was ich da geschrieben habe, darf ich nun nicht mehr wiederholen.

Frau Görlitz forderte einen Monat später über ihren Anwalt von mir eine Unterlassungserklärung, die Formulierung zu löschen und nicht zu wiederholen, die ich nicht abgegeben habe.

Davon erfuhr ich durch Post an meine private Adresse. Weil ich zu dieser Zeit viel zu tun hatte, der PC im Büro nicht funktionierte und ich keine „wichtige“ Post in meinem Mannheimer Büro erwartete, habe ich dieses mehrere Wochen lang nicht besucht – und dort keine Post kontrolliert.

Wiederum einen Monat später erließ das Landgericht Mannheim als „Eilsache“ eine „Einstweilige Verfügung“ ohne Anhörung meiner Person.

Zwei Wochen drauf wurde der Ordnungsgeldantrag gegen mich in Höhe von 3.000 Euro gestellt. Wiederum zwei Wochen drauf war ich wieder in meinem Mannheimer Büro, öffnete die Schreiben, löschte umgehend den Beitrag und nahm anwaltschaftliche Hilfe in Anspruch.

Hätte ich früher davon erfahren, hätte ich über den Rechtsschutz der dju einem Verfahren mit viel Spannung entgegengesehen, weil ich bis heute denke, dass meine Formulierungen sicher hart waren, aber trotzdem von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Da mittlerweile der Beschluss ergangen war, hat sich die dju nicht mehr beteiligt.

Die Sachlage stellte sich so dar: Die erste Instanz würde ich verlieren, weil der Richter sich kaum selbst korrigieren würde. Kostenpunkt: Ca. 5.000 Euro. Auch die zweite Instanz sei kritisch, meinte mein Anwalt. Nochmal 5.000 Euro. Je höher wir kommen würden, umso besser wären die Chancen, doch die 3. Instanz würde wahrscheinlich 10.000 Euro kosten.

In Summe also 20.000 Euro. Das gab die „Kriegskasse“ nicht her.

Also war Schadensbegrenzung angesagt.

Der gegnerische Anwalt hatte mir in der Zwischenzeit nochmals einen Brief geschickt – wie genau das jetzt heißt, dass Anwälte ein und dieselbe Sache zwei Mal abrechnen dürfen, habe ich gerade nicht zur Hand. Auskunft meines Anwalts: „Das ist eher die unfeine Art – aber leider ist das möglich.“

Nun gut: Macht also in Summe zwei Gebühren für den gegnerischen Anwalt, eine Gebühr für meinen Anwalt, Gerichtskosten – voilà sind 3.000 Euro futsch.

Das trifft mich hart, pumpe ich doch alles, was ich habe, in meine localblogs in Heddesheim, Hirschberg und Ladenburg. Die entwickeln sich zwar geschäftlich gut, erreichen aber noch keine schwarze Null.

Mein Anwalt nahm mit dem gegnerischen Anwalt von Frau Görlitz Kontakt auf, signalisierte, dass ich mich „fügen“ würde. Er möge umgekehrt doch bitte auf den Ordnungsgeldantrag verzichten.

Dieses Geld geht in die Staatskasse, sprich, die gegnerische Seite hat nichts davon. So dachte ich zumindest.

Die Antwort war eindeutig. Man habe grundsätzlich kein Interesse, sich zu einigen. So gesehen hatte die Gegenseite doch etwas davon: Es ging ihr ganz klar um Schadensmaximierung auf meiner Seite.

Mein Anwalt schrieb dem Gericht die wahrheitsgemäßen Umstände als Begründung, warum ich nicht reagiert habe, argumentierte, dass auch die Gegenseite eine Mitschuld an meiner Nicht-Reaktion treffe, weil diese mich nicht auch privat angeschrieben hat, wie ganz zu Anfang. Und wies auch darauf hin, dass hier jemand an die Wand geklagt werden solle.

Als „Beweis“ legte ich noch meine Telekom-Abrechnung bei, die zeigte, dass in der fraglichen Zeit kein einziger Anruf aus meinem Büro getätigt wurde.

Der gegnerische Anwalt Braun schrieb daraufhin eine Art „Brandbrief“ ans Landgericht und überschlug sich mit Argumenten, warum die geforderten 3.000 Euro Ordnungsgeld unbedingt gerechtfertigt sein sollten.

Das Landgericht hat nun ein „Mini“-Ordnungsgeld gegen mich erlassen – denn ich habe aus deren Sicht (nachvollziehbar) ordnungswidrig gehandelt. Allerdings hat das Gericht auch anerkannt, dass dies ohne Vorsatz geschah und meine finanzielle Situation berücksichtigt. Gerichtsgebühren folgen noch.

Bei summa summarum rund 3.500 Euro, die mich der „Spaß“ gekostet hat, bin ich nur bedingt erleichtert. 6.000 Euro und mehr hätten meine Laune allerdings nicht eben gerade verbessert. Unterm Strich ist das der teuerste Artikel meiner Karriere.

Der Mannheimer Morgen veröffentlichte zwei Tage nach der Akzeptanz der „Verfügung“ einen Artikel: „Prothmann akzeptiert Verfügung“. http://www.morgenweb.de/service/archiv/artikel/688557073.html Zuvor war keine Information über den Rechtsstreit erschienen. Der MM bejubelte den Erfolg, erwähnte, dass mir „Ordnungshaft“ drohe… Man war offensichtlich sehr zufrieden und hatte es geschafft, in dem Text das Wort „heddesheimblog“ zu vermeiden. Auch das eine journalistische Meisterleistung.

Was habe ich jetzt daraus gelernt? Ganz einfach: Ich kontrolliere wöchentlich die Post.

Und ich stelle erstaunt fest, dass sich Frau Görlitz angeblich durch meine Formulierungen in ihrer „beruflichen Ehre“ gekränkt fühlt. Um die „wiederherzustellen“, ist sie juristisch gegen mich vorgegangen, denn journalistisch fehlten ihr offensichtlich die Mittel. Und bei mir ist es dann blöd gelaufen. Das ärgert mich am meisten.

Journalistisch warte ich bis heute darauf, dass Frau Görlitz irgendetwas tut, um zu zeigen, was sie unter „beruflicher Ehre“ versteht. Ich habe da so ganz altbackene Vorstellungen, wie sich anzustrengen, das Beste zu geben usw.

Damit unterstelle ich nicht, dass Frau Görlitz das nicht tut. Ich bin sogar überzeugt davon, dass sie alles tut, was sie kann. Meiner Meinung nach ist das allerdings wenig überzeugend. Müsste ich ihr ein Zeugnis ausstellen, würde ich schreiben müssen: „Sie hat sich bemüht“. Was das heißt, weiß jeder Personaler.

Frau Görlitz, ihr Anwalt und ihr Arbeitgeber werten den Vorgang sicherlich als Erfolg.

Das Glücksgefühl wird nur von kurzer Dauer sein. Im September werde ich die ganze Geschichte nochmals mit allen Dokumenten aufbereiten – die anwaltlichen Schreiben sind eine interessante Lektüre.

 

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