Dienstag, 09. August 2022

Der kleine Hardy erklärt dem großen David mal, wie das so geht, mit den Quellen

Corrective Quellenkompetenz?

Mannheim/Pott, 30. Dezember 2015. David Schraven ist Chef von Deutschlands größtem gemeinnützigen Recherchekollektiv – und scheitert an einfachster Quellenbeurteilung. Glaubt man nicht? Ist aber so.

Von Hardy Prothmann

david schraven

David Schraven. Quelle: Wikipedia, Molgreen, CC-BY-SA 4.0

Der Herr Schraven und ich kennen uns eher nur aus der Ferne. Beim diesjährigen Reporterforum gab es mal einen Handschlag und ein Hallo. Mehr verbindet uns nicht.

Und der Herr Schraven ist irgendwie nicht gut auf mich zu sprechen. Das könnte daran liegen, dass er wie ich (laut Vocer) ein Regionalblog gegründet hat. Seins, die Ruhrbarone, gibt es seit 2007, ist vier Jahre älter und verdienen kein Geld. Meins, das Rheinneckarblog, beschäftigt vier sozialversicherungspflichtig beschäftigte Personen plus bezahlte Freie und hat dieses Jahr durchweg schwarze Zahlen geschrieben. Durch selbst verdientes Geld.

Es könnte daran liegen, dass ich immer frei gearbeitet habe und der Schraven öfter mal die Arbeitgeber wechselte. Ich kritisiere gerne mal die Kollegen, wenn das nötig ist, der Schraven netzwerkt lieber – man weiß ja nie, ob er mal was nötig hat.

Es könnte auch daran liegen, dass Herr Schraven der „3-Millionen-Euro„-Mann ist. So viel Geld hat er von einer Stiftung bekommen, um mit Correct!v (ja, so albern schreiben die sich selbst) nun „gemeinnützigen“ Journalismus zu betreiben und das Geld auszugeben.

Eines seiner Hauptprojekte sind „Tödliche Keime„, viel schlimmer als Aids oder Ebola. Mitten unter uns. In Krankenhäusern. Und als vermutlich tödlichste Klinik Deutschlands haben er und seine Rechercheure die Universitätsmedizin Mannheim ausgemacht.

Und ausgerechnet ich und mein Volontär kritisieren ihn und die Kollegen aus seinem Netzwerk wegen unsauberer Recherche. Das ist wirklich skandalös. Da regt sich der Schraven auf. Denn das ist möglicherweise schlecht für den Ruf und noch schlechter fürs Geschäft.

Der Hygiene-Skandal und fragwürdige Veröffentlichungen

Zum zweifelsohne gegebenen „Hygieneskandal“ haben sein Kollektiv, Zeit, Spiegel und die Funke-Gruppe zahlreiche „investigative“ Artikel veröffentlicht. Auf Basis von „Dokumenten“, die den knallharten Rechercheuren vermutlich zugesteckt worden sind. Es gibt sogar staatsanwaltschaftliche Ermittlungen – allerdings ziehen und ziehen die sich hin, offenbar reichen die Informationen bislang nicht, um irgendjemanden wegen irgendwas anzuklagen.

Mein Volontär, 21 Jahre alt, hat sich dann mal an den „Faktencheck“ gemacht und besonders eklige Dinge wie angeblich „blutverschmierte“ Skalpelle überprüft, die angeblich nicht ordentlich gereinigt worden seien. Nur blöd, dass das Klinikum seit Jahren keine Skalpelle mehr reinigt, sondern Einwegmesser benutzt. Peinlich für die „Investigativen“ – oder nicht? Und dann ist da noch so eine Phantom-Fliege, die keiner der Rechercheure je finden, geschweige denn belegen konnte.

 

 

Natürlich ärgert einen wie Schraven das. Unhygienisch gearbeitete „Investigationen“ sind mindestens so unappetitlich wie ungereinigte Operationswerkzeuge.

 

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Peinlich, peinlich, peinlich. Angeblich „schlecht gereinigte Skalpelle, mit Blut und Knochenresten“ kann es im Klinikum nicht geben, weil man dort schon seit über zehn Jahren mit Einwegmessern operiert. Vermutlich steht in den „Dokumenten“ des Herrn Schraven was anderes – es bleibt trotzdem falsch.

 

Jetzt hat der Rechercheprofi was Neues aufgedeckt. Er hat herausgefunden, dass ich mal einen Artikel über eine Morddrohung gegen mich geschrieben habe. Ich habe Anzeige bei der Polizei erstattet und die hat das Ernst genommen, weil ich wegen links- und rechtsextremistischer Deppen als „gefährdet“ eingestuft bin. Und jetzt kommt es: Dann stellte sich heraus, dass die Morddrohung gar keine war. Wer hat es herausgefunden? Die Polizei. Und wer hat es öffentlich gemacht? Ich selbst – ich stehe nämlich auf Transparenz und enthalte unseren Lesern keine Informationen vor.

Niemand hätte das herausgefunden – alle hätten nur gedacht: „Ui, Morddrohung gegen Prothmann, der lebt gefährlich.“ Hätte ich so stehen lassen können. Ich bin leider viel zu ehrlich dafür und habe die kuriose Auflösung ebenfalls veröffentlicht. Und wer hat das knallhart entdeckt? Der oberinvestigative Schraven. Schenkelklopfend verbreitet er seine Recherche auf Facebook. Es sei ihm gegönnt. Er selbst – so nehme ich an – hätte das lieber unter den Tisch fallen lassen. Warum nehme ich das an? Weil der Schraven so seltsam reagiert.

Schraven twittert

Dann aber passiert etwas Merkwürdiges. Mit einem Mal fängt Schraven an zu twittern. Naja, ich hab ihn vorher ein wenig geärgert. Und das hat funktioniert, denn es wird sehr skurril.

Schraven wirft mir vor, „meine“ Recherchen seien nur Anfragen an den Pressesprecher des Klinikums. Woher weiß der Mann das? Kennt er meine Unterlagen? Vielleicht bezieht er sich – wieder investigativ – auf diese „Quelle“:

„Was unsere “Belege” angeht: Uns liegen die Pressemitteilungen vor, wir haben den überwiegenden Teil der Artikel anderer Medien und unsere eigenen gesichtet, wir waren auf Pressekonferenzen, haben unsere eigenen Recherchen gemacht, uns liegt die Anfrage von Spiegel Online ebenso wie die Antwort des Universitätsklinikums vor, zudem weitere Informationen von “Quellen”.“

Nur blöd, dass der Schraven offenbar nicht lesen kann. Erstens haben wir keinen „PR-Leut schön reden lassen“ und zweitens ist der Autor des ersten Stücks Minh Schredle, der Volontär. Darauf weise ich den Rechercheur hin. Der legt nach:

„Nicht eindeutig gekennzeichnete Pressemitteilungen“ – ui, Skandal. Das Rheinneckarblog verbreitet PR und betrügt die Leserschaft? Weit gefehlt. Im Vorspann ist der inkriminierte Text eindeutig mit „pm“ gekennzeichnet, das ist unser Kürzel für Pressemitteilung.

Verwendete Kürzel für nichtredaktionelle Inhalte:
Anzeige (anz)
Feuerwehr (fw)
Polizei (pol)
Pressemitteilungen (pm)
Vereinsmeldung (vm)

Steht so auch im Impressum, wo gewandte und erfahrene Rechercheure nachgucken, was denn Kürzel so zu bedeuten haben. Und vor dem Text steht: „Information der Stadt Heidelberg“ – in Kursivschrift. Und der Text selbst steht in Anführungszeichen. Das zieht sich so durch über alle Fremdtexte. Wir zeigen hier eine Transparenz, die insbesondere von Zeitungen so gut wie nie eingehalten wird.

Auf all das weise ich den Oberschraven hin – doch der gibt nicht so schnell klein bei.

Ja, das ist klar. Wer sich nur kurze Augenblicke mit unseren Veröffentlichungen beschäftigt, sieht vor jedem Artikel die Information „Veröffentlicht von“. Da steht nicht „geschrieben“ oder „recherchiert“, sondern nur „veröffentlicht“. Davor steht das Datum und dahinter der Name der Person, die auf das Knöpfchen gedrückt hat, damit der Artikel erscheint. Vor jedem Artikel steht eine Ortsangabe, das Datum und dann folgen Kürzel. „red“ steht für Redaktion. „red“ steht vor jedem Artikel, denn schließlich hat irgendjemand in der Redaktion den ja bearbeitet. Dann folgen, sofern weitere Quellenangaben notwendig sind, weitere Kürzel: „pol“ steht für Polizei, „ms“ für Minh Schredle, „pro“ für Hardy Prothmann, „fw“ für Feuerwehr oder „hmb“ für Hannah-Marie Beck. Der Schraven ist jetzt in Rage, vermutlich, weil er merkt, dass jeder, der einigermaßen fit in bibliographischer Arbeit ist, merkt, dass der Schraven mal so gar nix drauf hat. Er legt nach:

Der Schraven, die Baustellen und der kommende Skandal um die tote Fliege

Hm – finden Sie in diesem Text einen zitierten Pressesprecher? Oder in diesem Text? Ups – in diesem Text findet man den Pressesprecher (3x, suchen Sie nach Dirk). Leider, leider gibt Herr Schraven auch diesen „Quellenfund“ nicht exakt wieder. Diese Passage ist äußerst aufschlussreich, wie schlampig „Investigative“ arbeiten, wenn man denen mal auf den Zahn fühlt. Lesen Sie die Passage, es lohnt sich.

Aus Sicht eines „Investigativen“ sind Meldungen von Behörden, die nicht mindestens von einem Rechercheteam gegengecheckt worden sind, vermutlich immer Müll. Aus unserer Sicht sind das Service-Informationen, die unsere Leser interessieren. Korrekt ist: Es gibt neben unseren eigenen Berichten meist zwischen 10-20 solche „Produktionen“. Also fremde Texte, die wir übernehmen, weil wir das Gefühl haben, es interessiert die Leute. Dazu gehören auch die „Baustellen der Woche“ – und ja, ich gebe zu: Wir haben noch nie gegenrecherchiert, ob tatsächlich alle Baustellen auch am angekündigten Ort zur angekündigten Zeit eingerichtet worden sind.

Vorschlag, David Schraven: Wäre das nicht mal was für Correct!v? Ich lese schon die Schlagzeilen: Spiegel online enthüllt in Zusammenarbeit mit Correct!v: „Das sind Geisterbaustellen – die gibt es gar nicht. Statt Baustellen haben wir nur eine tote Fliege gefunden – wie eklig ist das denn?“

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Über Hardy Prothmann

Hardy Prothmann (50) ist seit 1991 freier Journalist und Chefredakteur von Rheinneckarblog.de. Er ist Gründungsmitglied von Netzwerk Recherche. Er schreibt am liebsten Porträts und Reportagen oder macht investigative Stücke.