Heddesheim/Berlin/Haus der Kulturen der Welt. Die tageszeitung und Der Freitag haben nach Berlin eingeladen – zum tazlab: „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“. Der Name passte, weil zwar viel von Revolution geredet wurde, tatsächlich aber keine stattgefunden hat. Noch nicht, noch längst nicht, aber sicher irgendwann mal. So ist das mit Revolutionen – die lassen sich schlecht terminieren.
Von Hardy Prothmann
Die Revolution habe ich mir tatsächlich anders vorgestellt: „Brauchen wir eine neue Ethik für das Netz?“, klingt irgendwie diskutabel. Aber mal ehrlich? Seit wann reden Revolutionäre über „Ethik“? Ethik ist ein Luxusproblem und keins für den Unterstand.
Seltsame Fragen
Oder: „Wem gehört der Journalismus?“, ist auch so ne Frage. Ja wem? Gibts darauf ne Antwort? Ganz klar. Dem, der ihn macht. Denn das sind Journalisten – wie auch immer, ob tazler oder Bild-Ärsche oder FAZler oder Bratwurstler landauf, landab. Die Frage ist ungefähr so sinnig wie „Wem gehört das Komponieren?“ oder „Wem gehört die Schrifstellerei?“ oder „Wem gehört die Malerei?“.
Journalismus basiert auf Artikel 5 Grundgesetz, das haben viele immer noch nicht begriffen. Und es geht dabei um Meinungsfreiheit. Und Journalismus kann dazu was beitragen oder auch nicht.

Der Tag nach dem tazlab: In Berlin komme ich plötzlich an einer ganz transparenten Dokumentation vorbei. Meinem Lieblingsartikel 5 des Grundgesetzes. Foto: Susu
Und auch zu Guttenberg war Thema – immerhin konnte man die Kopie einer Kopie ersteigern. zu Guttenberg ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass der Journalismus nicht zu eitel sein sollte. Denn zu Guttenberg wurde eindeutig durch die Wissenschaftsgemeinschaft zu recht entfernt und nicht durch „Journalismus“. Und der beinhaltet leider viel zu oft ebenfalls nur noch „Copy&Paste“.
Auch „Embedded Journalism – Chancen und Risiken einer umstrittenen Reportagemethode“ ist in sich ein wenig seltsam gefragt. Was bitte hat „embedded“ mit unabhängig zu tun? Nichts? Genau.
Das gilt wohl auch für die Hauptstadtjournalisten, die bei der Diskussion um’s „Raumschiff Berlin“ keinen Zweifel daran gelassen haben, dass die Frage nach „Journalisten als Machtfaktor in der Politik“ selbstverständlich bejaht werden kann. Lediglich das „in“ war ein kleines Wort zuviel. Die arrogante Haltung und die abgespaceten Aussagen zeigten, dass diese Bagage längst Teil des Systems ist und sich deshalb wichtig findet – auch, wenn sie nur Kofferträger sind.
Was habe ich vom tazlab mitgenommen?
Viele gute Begegnungen mit interessanten Kollegen, aber noch mehr mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern, die wissen wollen, wie die Medien funktionieren oder warum sie nicht funktionieren und wie sie bald funktionieren könnten.
Aber ich habe auch gelernt, dass wirklich sehr viele Kollegen bei Printmedien und damit auch bei der taz, sagen wir mal, strukturkonservativ sind, was ihre eigene journalistische Arbeit angeht.
Die Zeitung als Zeitung steht im Mittelpunkt und soll gehalten und entwickelt werden – das Medium also, nicht die „Message“. Zeitung, das ist „Kultur“, ein Wert an sich oder so ähnlich. Und das Internet, das alle benutzen, um Zeitung zu machen, ist irgendwie halt, ja was? Halt keine Kultur, oder nur so eine Art Vorkultur, obwohl ja moderner, aber eben nicht so, ja nicht so, ja, halt eben nicht „Kultur“.
Vermutlich nahm die taz damit bis vor kurzem einen gar nicht so verkehrten Standpunkt ein – denn auch die Leser sind eher strukturkonservativ und werden immer älter. Die Rechnung: Alt=Zeitungsleser geht ja immer noch solala auf, auch wenn man immer spitzer rechnen muss. Gerüchteweise kommen junge nach.
Die Revolution findet „dazwischen statt“.
Doch dazwischen ist wenig – weil man, also Leserinnen und Leser, eben nicht mehr nur konservativ oder nur links sind, sondern unideologisch. Man kann konservativ und gleichzeitig gegen Atomkraft sein. Man kann für Atomkraft sein, trotzdem aber fr ein gemeinsames längeres Lernen oder Bio-Produkte. Man kann Hartz IV ablehnen, obwohl man gut verdient.
Warum sich solch vielfältige und nicht mehr anhand klarer „Linien“ orientierte Einstellungen entwickeln? Es gibt mehr und mehr Informationen als früher – denn es gibt das Internet und das ist nicht links, noch konservativ noch sonstwie politisch – es ist einfach voll mit Informationen und Netzwerken und Gruppen und Möglichkeiten vielfältige Blicke auf die Welt zu werfen. Und eben kein entweder-oder.
Und auch für taz-Leser gilt: Das Internet steht allen offen, man kann darüber Informationen austauschen und diese bestätigen nicht immer die eigene Meinung, sondern führen vielleicht zu ganz neuen Meinungen. Nur Holzköppe verstehen das nicht.
Die taz erfüllt mit ihrer Art von kritischem Journalismus eine wichtige Aufgabe – ob der Journalismus auf Papier oder anderswo veröffentlicht wird, ist eigentlich egal. Es geht auch hier nicht um ein entweder-oder.
Schafft die Lager ab.
Und Der Freitag? Der hatte irgendwie wenig Profil auf dieser Veranstaltung – zumindest habe ich kaum was dazu entdeckt. Danach im persönlichen Gespräch mit Kollegen schon: Man ist auf der Suche danach. Auch das ist ja so eine Art Profil.
Sollte Jakob Augstein das ernst meinen, dass er den Freitag zur „linken Stimme“ machen will, wird er nur einige enttäuschte taz-Leser abfischen können, die halt noch „links“ sind. Viele andere aber nicht, die wie die Grünen langsam, aber sicher „arriviert“ sind. Zwar Öko, aber Teil der gesellschaftlichen Mitte und wenn’s sein muss sturer als jeder CDU-Parteisoldat.
Mein Eindruck aus den vielen Gesprächen ist, dass es um „Gerechtigkeit“ geht, um Sinn und Verstand und nicht um’s alte Lagerdenken „links oder rechts“.
Die Revolution hat längst begonnen, aber sie geht zumindest hier im Land (zur Zeit noch unblutig) ab. Jonas Weyrosta hat das im tazblog gut aufgeschrieben:
(Ein junger Mann sagte:) “Revolution bedeutet einen totalen Umsturz des Bestehenden. Wir stürzen aber nicht unser System, wir formen es.-€ Er verwies auf die wiederentdeckte Mündigkeit der Bürger, am Medienbetrieb teilzunehmen. “Die Menschen nehmen werden dieses Recht nun in Anspruch nehmen.-€ Eine mündige Bürgerschaft bietet Potenzial für die Meinungsbildung und Risiken für Hintergrund-Machenschaften im Medienbetrieb. Ein Statement aus einem vorausgehenden Panel darf als Kampfansage an den Konformismus und den unfreien Journalismus gewertet werden: “Ihr werdet euch noch wünschen, wir wären politikverdrossen.-€
Wer das nicht kapiert, ist und bleibt ein Holzkopp.
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