Montag, 18. Februar 2019

Printjournalistische Befindlichkeiten im lokalen Netz

Heddesheim/Augsburg, 02. Oktober 2011. Wie hübsch – die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) hat ein „Modellseminar“ mit dem Titel „Das Netz ist lokal“ veranstaltet. In Augsburg versuchten sich Printjournalisten dem sagenhaften Thema Internet und Social Media anzunähern.

Von Hardy Prothmann

Uiuiuiuiui, das Modellseminar der BpB hatte einen echt hohen Anspruch:

Facebook, Twitter, Bewegtbild-Clips und Buürgerforen – Informationen werden heute auf vielen Plattformen verbreitet. Für Zeitungsredakteure im Lokalen eine brisante Lage: Plötzlich treten neue Konkurrenten auf, die lokale Nachrichten auf eigenen Kanälen anbieten. Wenn Lokalredaktionen nicht bewusst Teil dieser neuen Medienwelt werden, fehlen sie auf dem „Marktplatz“, auf dem Informationen gehandelt werden. Konzepte, mit denen Lokalredaktionen diese Welten jenseits von Zufallsvideos und Bildergalerienerobern können, sind rar. Deshalb erarbeiten die Teilnehmenden im Seminar Ideen, um diese neuen Möglichkeiten gezielt in den redaktionellen Alltag einzubinden.

Eine „brisante Lage“ also. Konkurrenz! Eigene Kanäle. Wow. Schlimm: Die Konzepte sind also rar. Aha. Das klingt ungefähr so spannend wie ein VHS-Kurs mit dem Thema: „Internet für Senioren – es ist gar nicht so schwer.“

Und das waren die Ziele:

Das Modellseminar zeigt, wie man lokal twittert, sich Facebook und Co. zu Nutze macht und Leser aktiv in die Recherche einbezieht. Gemeinsam werden Ideen erarbeitet und debattiert, Handlungsoptionen werden konzeptioniert. Ziel sind lokale Web-2.0.-Strategien und damit Entwürfe, mit denen Lokalredaktionen auch im Social-Media-Zeitalter ihre Bedeutung behalten oder sogar steigern können.

Am Jahresende 2011 lernen also Journalisten, wie man „lokal twittert“. Auch die Sache mit „Facebook und Co.“ klingt echt richtig spannend. Und so modern. Zur „Erhaltung der Bedeutung von Lokalredaktionen – oder sogar Steigerung.“ Uiuiuiuiui.

„Wissenschaftliche“ Unterstützung

Dieses „Modellseminar“ fand unter der Leitung von Lutz Feierabend (KStA) und von Prof. Dr. Sonja Kretzschmar statt. Bitte wer? Sie kennen Frau Kretzschmar nicht? Ich auch nicht. Bestimmt ist das eine bekannte Expertin, von der ich zwar noch nie was gehört habe oder die mir irgendwie-  aufgefällen wäre, aber zum Glück gibts ja Google und damit kann man sich einen Eindruck verschaffen, wer Frau Kretzschmar denn ist. Zum Zeitpunkt der Recherche hatte dieses Video schon sensationelle 101 Klicks:

Interessante Antworten, oder? Bei mir ist vor allem das häufig gebrauchte Wort „letztendlich“ hängengeblieben, das genauso sinnig ist wie „schlussendlich“. Und goldig, wie sie immer wieder Stichpunkte von einer, ich vermute mal, „Moderationskarte“ abliest. Sehr professionell.

Was die Teilnehmer in diesem „Modellseminar“ gelernt haben oder was ihre Eindrücke waren, haben einige sogar auf dem Blog der Drehscheibe veröffentlicht. Respekt!

Nöte und Sorgen

Aber: Hier ist die Rede von „Not“, von „Sorge“, von „gebrandmarkt“, aber auch von „Selbstvertrauen“.

Wer ein wenig zwischen den Textzeilen liest, begegnet einer zutiefst verängstigten und verstörten Gruppe. Eben Printjournalisten, deren Weltbild über Jahrzehnte aus der Sicht von „ich und die Welt“ geprägt worden ist und die sich jetzt fragen: „Die Welt… und wo bin ich? Komme ich darin überhaupt vor?“

Magere Beiträge zum Modellseminar - Schwanken zwischen Selbstzweifel und dringend gesuchtem Selbstbewusstsein. Quelle: drehscheibe.org

Vergangenes Jahr wollte man mich auch als Referenten einladen – ich hatte keine Lust. Es ist überwiegend Zeitverschwendung, gestandenen Zeitungsjournalisten die Online-Welt zu erklären. Die meisten jammern schon über die vielen neuen Wörter wie Twitter oder Facebook, liken und sharen. Stimmt, ist denglisch, beschreibt aber, was man meint. Und gehört zur Sprache wie das Wort „joggen“.

Außer, man ist Modernitätsverweigerer, Zauderer, Verhinderer oder eben Zeitungsjournalist. Jaja, jetzt regen sich wieder viele auf: Der Prothmann pauschalisiert wieder. Stimmt. Tue ich. Ganz bewusst. Denn die Zeitungsjournalisten haben eins nicht kapiert: Es geht zuallerst um guten Journalismus und dann erst um das Medium.

Deswegen ist so ein Seminar auch von vorneherein zum Scheitern verurteilt: Printjournalisten sollen sich auf ihren Job konzentrieren, der ist, eine Zeitung zu machen. Und mit gutem Journalismus zu befüllen. Online-Journalisten machen dasselbe für online.

Die Antwort auf die Fragen aller Fragen: Journalismus

Während aber Online-Journalisten ganz selbstverständlich auch mit Zeitungen umgehen, tun das viele Printjournalisten eben nicht mit online. Das ist das Problem. Ganz einfach eigentlich. Dafür braucht es kein Markensprech oder Selbstbeweihräucherungsgebabbel, sondern aktive, interessierte Teilnahme und einen ebensolchen Austausch.

Entscheidend ist die Neugier, der Wille zum Lernen und die Haltung: Egal wie, einfach guten Journalismus zu machen.

Vor zwei Jahren habe ich dazu Thomas Mrazek ein Interview gegeben, vielleicht sollte man das als Vorbereitung für dieses „Modellseminar“ zur Pflichtlektüre machen.

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