Mannheim, 22. November 2013. (red) Was macht eigentlich den typischen Pressesprecher aus? Dass er ein Presseschweiger ist? Oder ein Presseverhinderer? Oder ein Pressebeschäftigungstherapeut? Was von vielen Unternehmen und Behörden ursprünglich eventuell mal als „Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit“ gedacht worden ist, hat sich vielfach zur Hauptursache für Magengeschwüre bei Journalisten entwickelt. Schafft sie ab, die Pressesprecher, die allermeisten bringen tatsächlich schlechte Presse.
Anruf beim Fachmann: Guten Tag, ich hätte da ein paar Fragen zu…
Fachmann: Die darf ich Ihnen leider nicht beantworten, das muss über unsere Pressestelle erfolgen.
Anfruf bei Pressesprecher: Guten Tag, ich hätte da ein paar Fragen zu…
Pressesprecher: Ok, ich suche den geeigneten Fachmann und melde mich wieder.
Antwort: Den habe ich schon gefunden. Herr Fachmann Darfnichtssagen.
Pressesprecher: Super, welche Fragen?
Antwort: Ich schicke sie Ihnen per email.
Einen Tag später.
Pressesprecher: Also, ich habe folgende Informationen für Sie.
Antwort: Besten Dank, daraus ergeben sich aber folgende Nachfragen.
Pressesprecher: Das kriegen wir hin, ich melde mich wieder.
Einen Tag später.
Pressesprecher: Also, ich habe die Antworten auf Ihre Fragegn.
Antwort: Daraus ergeben sich weitere Fragen. Kann ich nicht mit dem Fachmann selbst reden? Das würde das Verfahren verkürzen.
Pressesprecher: Wir haben hier feste Regeln, wissen Sie doch. Und ich mach das doch gerne für Sie.
Stunden später.
Pressesprecher: So, das hätten wir auch geklärt, Herr Kollege.
Antwort: Sie sind nicht mein Kollege.
Pressesprecher: Wir arbeiten aber doch zusammen.
Antwort: Nein, ich bin Journalist und Sie sind Pressesprecher.
Pressesprecher: Ja, aber das ist doch fast dasselbe.
Antwort: Das ist überhaupt nicht dasselbe.
Pressesprecher (schweigt kurz): Also, ich kann Ihnen noch folgendes mitteilen.
Antwort: Diese Zahl passt nicht zu dieser Zahl. Können Sie mir das erläutern?
Pressesprecher: Hm, da haben Sie recht. Das ist mir gar nicht aufgefallen. Sehr aufmerksam von Ihnen. Das muss ein Fehler sein. Ich frage nach und melde mich.
Antwort: Piss dann (gesprochen wie Bis dann).
Nächster Tag.
Pressesprecher: Das war tatsächlich ein Fehler. Gott sei Dank haben wir den gefunden.
Antwort: Ich habe ihn gefunden.
Pressesprecher: Ja, aber ich habe es aufgeklärt.
Antwort: Wir sind schon ein tolles Team, oder?
Pressesprecher: Finde ich auch. Und Kompliment, Herr Kol…, Herr Prothmann, Sie machen Ihre Arbeit sehr akribisch, erlebe ich selten.
Bericht wird veröffentlicht.
Pressesprecher: Unser Vorstand ist ein wenig ungehalten über Ihren Bericht.
Anwort: Warum?
Pressesprecher: Na, ich hatte Ihnen das doch anders dargestellt.
Antwort: Stimmt.
Pressesprecher: Gestern fand ich noch, dass wir gut zusammenarbeiten.
Antwort: So ist das manchmal.
Pressesprecher: Aber das empfinde ich jetzt als Vertrauensbruch.
Antwort: Ist etwas falsch im Bericht?
Pressesprecher: Nicht direkt. Aber Ihre Sichtweise überrascht mich schon, nachdem ich Ihnen die Sachlage – sogar teils im Vertrauen – dargelegt habe.
Antwort: Ich rede mit Quellen vertraulich. Sie sind ein Pressesprecher.
Pressesprecher: Man muss sich doch aber aufeinander verlassen können, mit Ihren Kollegen habe ich da nie Probleme.
Antwort: Meine Leser müssen sich auf meinen Bericht verlassen können.
Pressesprecher: Ja, schon, aber müssen Sie das so negativ darstellen?
Antwort: Verluste sind negativ. Und wenn Sie was anderes behaupten, täuschen Sie eine andere Lage vor.
Pressesprecher: Das lasse ich mir von Ihnen nicht unterstellen.
Antwort: Das brauche ich nicht zu unterstellen, das belegen Sie schriftlich in Ihrer Pressemitteilung und Ihren Auskünften.
Pressesprecher: Aber das ist doch ganz normal, dass man sich gut darstellen will.
Anwort: Da bin ich das erste Mal d’accord mit Ihnen.
Pressesprecher: Das freut mich.
Einige Wochen später:
Anruf bei Pressesprecher: Sie entlassen jetzt also x Leute?
Pressesprecher: Das können Sie so nicht sagen. Immerhin ist es uns gelungen, viele Arbeitsplätze zu sichern.
Antwort: Wollen Sie mir jetzt schon wieder vorschreiben, was ich berichten soll?
Pressesprecher: Natürlich nicht. Seien Sie doch nicht so empfindlich.
Antwort: Sie brauchen sich keine Sorgen um mich zu machen. Folgen weitere Entlassungen?
Pressesprecher: Das ist möglich, aber das wäre mir recht, wenn Sie das jetzt nicht schreiben.
Antwort: Warum sollte ich nicht?
Pressesprecher: Haben Sie kein Herz und Mitleid mit den Leuten? Die werden doch ganz unsicher.
Antwort: Die sind ganz unsicher und wollen wissen, was die Zukunft bringt.
Pressesprecher: Sie können schreiben, dass unser Vorstand alles Erdenkliche unternimmt, um die Arbeitsplätze zu sichern.
Antwort: Sie wollen mir also doch vorschreiben, was ich berichten soll?
Pressesprecher: Jetzt seien Sie doch nicht so kiebig. Darf ich Sie übrigens auf unser Firmenfest einladen. Natürlich auf unsere Kosten. Es gibt leckere Sachen und eine zwanglose Atmosphäre. Es gibt auch eine Überraschung.
Das Pressefest findet ohne mich statt. Wie ich gehört habe, gab es Präsente für die „Kollegen“.
Pressesprecher ruft an: Ich möchte Sie zu einem Hintergrundgespräch einladen.
Anwort: Um was soll es da gehen?
Pressesprecher: Das kann ich nicht sagen, sonst wäre es ja ein Hintergrundgespräch. Exklusiv im kleinen Kreis.
Antwort: Unter drei?
Pressesprecher: Ja – der Vorstand hätte explizit Sie gerne dabei.
Antwort: Tatsächlich.
Pressesprecher: Also, unter uns, das habe ich bislang nur selten erlebt. Sie können sich geehrt fühlen.
Antwort: Aber ich darf nichts drüber schreiben?
Pressesprecher: Es wird im kleinen Kreis exklusiv über wichtige Schritte des Unternehmens gesprochen.
Antwort: Und was haben meine Leser davon?
Pressesprecher: Na, Sie sind dann einer der top informierten Journalisten.
Antwort: Und was soll ich mit diesen Top-Informationen anfangen?
Pressesprecher: Im Hinterkopf haben, wenn Sie wieder über uns berichten.
Antwort: Dafür haben ich doch Sie und ihre wunderbaren Dienste.
Pressesprecher: Danke für das Kompliment.
Antwort: Bitte.
Pressesprecher: Und dürfen wir Sie jetzt begrüßen?
Antwort: Nein.
Pressesprecher: Verraten Sie mir warum?
Antwort: Das haben Sie immer noch nicht verstanden?
Pressesprecher: Nein.
Antwort: Wieso überrascht mich das jetzt nicht?
Pressesprecher: Was?
Antwort: Dass Sie das nicht verstanden haben.
Pressesprecher: Sie haben sicher Ihre Gründe.
Antwort: Habe ich. Schönen Tag.
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