Mannheim, 27. Januar 2014. Tageszeitungen sind entzaubert. Die alte Mähr, dass nur dort „die Wahrheit“ stehe, ist schon lange als Märchen enttarnt. Aber es geht noch doller. Tageszeitungen sind mit Sicherheit die sturste Trutzburg wider die wahrhaftige Information der Öffentlichkeit. Wer kennt eine Tageszeitung, die konsequent andere Quellen liket, kommentiert oder sich sonstwie um etwas kümmert, was außerhalb ihres eigenen Kosmos‘ passiert? Sie kennen keine? Ich auch nicht.
Von Hardy Prothmann
Seit etwa 2006 wird darüber diskutiert, ob „Blogs“ den Tageszeitungen gefährlich werden können. Die Bilanz nach all den Jahren: Es hat noch kein Blog eine Tageszeitung in die Knie gezwungen, sprich, übernommen, filetiert und abgewickelt.
Wer so etwas jemals geglaubt haben sollte, hat auch mächtig einen an der Waffel. Kaufen und abwickeln kann nur jemand, der viel Geld hat. Die Axel Springer AG beispielsweise. Die hat viel Geld und wickelt den Restjournalismus, der im Konzern noch übrig ist, zügig ab.
Überall auf der Welt gibt es neue mediale Angebote, die in die Monopolgebiete der Tageszeitungen eindringen. Meist wird auf Amerika geguckt. Erst hochgeschrieben. Dann runtergeschrieben. Und hinterher haben alle gewusst, dass alles nix wird. Denn es fehlen angeblich die entscheidenden Ideen. Sorry. Wenn AOL in Lokalblogs macht, dann ist das keine „entscheidende“ Idee, höchstens eine saublöde, die über kurz oder später zur Entscheidung führt, dass es eine saublöde Idee war.
In Deutschland gibt es mittlerweile eine noch überschaubare Zahl von neuen, journalistisch wertvollen Angeboten – viele davon untereinander über istlokal.de vernetzt (wo ich Gesellschafter bin).  Die grundlegende Gemeinsamkeit dieser unabhängigen Angebote ist eine Aufbruchstimmung, eine Überzeugung: Guten Journalismus anzubieten, der kritisch aufklärt, der anders ist als das, was die „Käsblätter“ seit Jahrzehnten als „Tradition“ anbieten.
Die gute Nachricht: Diese Angebote halten sich bemerkenswert lang, während stinkreiche Verleger Blätter dicht machen. Die schlechte Nachricht: Keins dieser Blogs ist bislang stinkreich geworden. Stimmt nicht – an Erfahrungen schon.
Man muss viele dicke Bretter bohren. Das dickste, unbohrbarste sind allerdings nicht die Köppe von Bürgermeistern, BdS-Vorsitzenden, Vereinsmeiern. Nein. Das sind die Köppe von Zeitungsmachern, also den Leuten, die von sich behaupten, die Öffentlichkeit umfangreich und zutreffend zu informieren. Wie immer bestätigen Ausnahmen die Regel.
Welche Zeitung kennen Sie, die ein Blog aus dem eigenen Gebiet zitiert, das eine exklusive Nachricht gebracht hat? Keine? Dann kennen Sie sich sehr gut aus.
Diese Zeitungen, deren Mäntel und viele derer Bücher nur noch aus hundert- und tausendfach kopiertem Agenturzeugs besteht (liebe Agenturen, Ihr macht auch gute Stories) bilden sich tatsächlich nach wie vor was drauf ein, dass sie das verbreiten, was alle verbreiten (denn in der Herde fühlt man sich sicher). Und sie tun den Teufel, das zu tun, was früher mal eine „Ehrenpflicht“ war – nämlich exklusive Nachrichten von anderen Medien mit Quellenangabe zu benennen.
Wie nennt man so eine verlodderte Branche? Eine ohne Ehre, ohne Stolz, ohne Überzeugung, dass Journalismus ein hohes Gut ist? Wie nennt man die? Irgendwelche Vorschläge?
Die Lokalblogs bundesweit sind noch längst nicht soweit, die Zeitungen abzulösen. Aber sie haben die Monopolisten jede Menge Abos gekostet. Und sie bauen aus, während die Zeitungen abbauen. Sie gewinnen Leser/innen, den Zeitungen sterben sie weg.
Noch ist alles „relativ“ entspannt – die meisten Zeitungen verdienen noch pappsatt Kohle, trotz mittlerweile schon fast 25 Jahren jährlichem Auflagenverlust. Aber es wird weniger Geld. Traumrenditen von 25 Prozent sind Geschichte. Und wer kann, verkauft unter zehn Prozent Umsatzrendite den Laden und privatisiert.
Die Bude übernehmen dann oft Optimierer, die erstmal das abschaffen, was kostet. Redaktion. Und sich hinterher wundern, dass man den Laden dicht machen muss, weil irgendwie die „Akzeptanz“ fehlt.
Ich bin überzeugt davon, dass die, die sich aufeinander zu bewegen, erfolgreicher sein werden.
Im Februar tauschen erstmals in Deutschland eine Zeitung und ein Blog Volontäre aus. Konkret: Meine Volontärin geht nach Würzburg zur Main-Post und von dort kommt eine Volontärin nach Mannheim.
Was soll das? Was bringt das? Wieso machen die das? Solche typischen Fragen werden bislang nicht gestellt. Warum eigentlich?
Darf nicht zusammen gehen, was zusammen gehört? Journalismus eben.
Ich freue mich jedenfalls sehr auf die junge Kollegin, sie kann hier alles lernen, was sie will und in vier Wochen schafft. Und darauf, das meine Volontärin bei der Zeitung viel mitnimmt.
Die vielen Affen da draußen sollen ruhig weiter nix hören, nix sehen und nix sagen.
Irgendwann besuch ich sie im Zoo – als bedrohte Art.
Folge mir!