Heddesheim/Passau, 04. März 2011. In Passau gibt es ein neues Online-Portal. Das nennt sich Lokalnews – 100% lokal – Passau. Handelt es sich um eine weitere „kleine Klitsche“ von irgendwelchen „Spinnern“, die tatsächlich denken, sie könnten „etablierten Verlagen“ Konkurrenz machen? Wohl kaum. Klar dürfte mittlerweile sein, dass von lokalnews.de weder eine Konkurrenz für „etablierte Verlage“ zu erwarten ist, noch Transparenz. Und 100-prozentiger-Lokaljournalismus? Naja.
Von Hardy Prothmann
Der 28-jährige Geschäftsführer der Lokalnews GmbH, Daniel Wildfeuer, der zurvor bei einem „Party-Portal“ tätig war, begann bereits Ende 2010 eine Promotion-Kampagne für ein „neues lokaljournalistische Angebot“. Das legitime Ziel: Neugier erwecken.
„Alle Achtung“, dachte ich und war bass erstaunt über so viel Agilität. Ich bin 44 Jahre alt, für mein Alter noch ziemlich fix, „aber so ein 28-jähriger ist vielleicht dann doch fixer“, dachte ich.
Und ich verfolge seitdem das Projekt mit großem Interesse – wie viele andere auch.
„Vielleicht“, dachte ich, „kann ich hier noch was lernen“. Mittlerweile weiß ich, dass das nicht der Fall ist.
Der „Fall“ ist schnell beschrieben: Junger Unternehmer klaubt sich „Ideen“ zusammen, redet von „MEINER“ Idee, sucht Investor, findet den, erzählt eine Geschichte und fliegt damit schnell, also innerhalb weniger Tage auf die zuvor über Wochen aufgerissene vollmundige Schnauze.
Das nächste Kapitel ist vielleicht noch offen, vermutlich aber nicht.
Die Geschichte von „lokalnews.de“ dauert als Lesestoff für diesen Artikel vielleicht zehn Minuten – die Zukunft von lokalnews.de wird davon abhängig sein, wie viel Geld die „Investoren“ noch nachschießen oder davon, wie viele Fehler sich das „unabhängige neue Medium“ sich noch leistet. Oder einer Mischung aus beidem.
Weitab von Passau und übers Internet doch nah verbunden, erzähle ich mit dieser Dokumentation den Aufstieg einer vermeintlichen „Rakete“, die meiner Meinung nach eine Mogelpackung ist und ziemlich sicher als „Rohrkrepierer“ bald Geschichte sein wird.
„Viel Spaß“ kann ich bei dieser Lektüre nicht wünschen – dafür ist das Thema zu ernst und die Realität zu bitter.
Dokumentation:
Am 07. Januar 2011 erscheint auf onlinejournalismus.de ein Interview mit dem „Macher“, Daniel Wildfeuer. Darin heißt es:
Wer außer Dir macht noch mit bei 100% lokal?
Bis jetzt ist es noch eine One-Man-Show.
Und weiter:
Wie willst Du Einnahmen generieren, auf dem Online-Werbemarkt Fuß zu machen ist bekanntlich sehr schwierig -€¦?
Wir wollen dabei auch auf die Lokalität setzen und den regionalen Kunden individuelle Pakete anbieten mit denen Sie ihre Zielgruppe genau erreichen können. Zu Beginn rückt jedoch die Monetarisierung in den Hintergrund. Erst wenn das Projekt läuft werden Klinken geputzt!
Bislang sind ja vor allem lokale Geschäfte bei Online-Werbung noch sehr skeptisch, siehst Du da das Potenzial für Euer Portal?
Diese Skepsis ist mir von bsmparty.de bekannt. Ich denke, das ist eine Entwicklung die sich von Jahr zu Jahr bessert und vor allen Firmen mit „jungen Chefs“ sind schon sehr aufgeschlossen gegenüber Onlinewerbung.
Am 10. Januar 2011 berichtet der Mediendienst turi2.de über lokalnews.de. Darin heißt es „Neuling „100% lokal“ will es mit der „Passauer Neuen Presse“ aufnehmen“:
Im Blog zu lokalnews.de heißt es unter „Pressemeile“ bis heute:
(Soweit bekannt) also.
In der Eigendarstellung von lokalnews.de heißt es bis heute:
“Wir sind ein Team aus zwei engagierten Lokalredakteuren und einem Programmierer, die in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten zeigen wollen was wirklich wichtig ist in der Region. Welche Themen die Menschen bewegen, Passau aus den verschiedensten Blickwinkeln vorstellen und das Ganze zusammen mit Euch: Denn jeder Leser kann selbst aktiv werden und zeigen was ihm wichtig ist und ihn tagtäglich bewegt.
Wir wollen neue innovative Wege beschreiten und schnell, modern, frech und tiefgründig aus der Dreiflüssestadt berichten!
Wir freuen uns auf Euch!“
Am 02. März 2011, also eine Woche nach dem Start von lokalnews.de, berichtet der “Bürgerblick-€ von Hubert Denk in Passau: “Tarnkappenbomber gegen freie Presse“:
„Divide et impera“, wie der Lateiner sagt, ,,Teile und herrsche“, dieses Prinzip antiker Machthaber betreibt die Verlegerfamilie Diekmann („Passauer Neue Presse“ bis „Wochenblatt“) offensichtlich mit Hingabe. Erst splitteten sie das Verlagsgebiet in viele kleine Gesellschaften auf, um den Einfluss der Arbeitnehmer zu schwächen. Nun werden Tarnkappen-GmbHs gegründet, um Graswurzelbewegungen der freien Presse in ihrem Monopolgebiet zu unterwandern und zu ersticken.
Im Laufe desselben Tages gibt es auf der Facebook-Seite von lokalnews.de eine Rückfrage zu dem Bericht. Eine der Antworten lautet, dass Daniel Wildfeuer „volle Freiheit wollte“ und „nur“ der „Wochenblattverlag“ diese „zusichern konnte“:
Bereits am 24. Februar beschwert sich jemand bei Facebook über die „Eigenwerbung“ von lokalnews.de:
Ein Blindtext also. Ein „Versehen“, könnte man immer noch „freundlich“ annehmen.
Am 18. Februar 2011 erscheint eine „Eigenanzeige“ von lokalnews.de:
Am 01. März 2011 erscheint ein Interview mit der Passauer Professorin Barbara Zehnpfenning. Darüber steht:
„verfasst von Laura Lugbauer am 01.03.2011 10:46 Uhr“
Am 02. März 2011 kommentiert jemand das Interview und kurz darauf reagiert Herr Wildfeuer:
Wer Steffen Becker ist, wird nicht erklärt. (Herr Becker ist Pressesprecher der Universität Passau.) Einen Link auf das Original-Interview gibt es im Bericht nicht – auch nicht nach der „ausführlicheren Darlegung“.
Herr Wildfeuer erklärte im Interview mit onlinejournalismus.de am 07. Januar 2011:
Wird 100% Lokal wenn es sich anbietet auch mal auf Artikel der „PNP“ verlinken?
Unser oberstes Ziel ist es unseren Leser lokal bestens zu informieren. Wo er diese Information schlußendlich konsumiert ist für uns zweitrangig. Gute und informative Beiträge werden von jeder Quelle verlinkt, natürlich auch von der PNP.
Man könnte meinen, dass die Unerfahrenheit und der daraus vielleicht abzuleitende Dilletantismus eines 28-jährigen „Geschäftsführers“ und nicht-Journalisten für so viele „peinliche Pannen“ verantwortlich sein könnte.
Man kann aber auch annehmen, dass über diese „Fehler“ hinaus noch andere Kräfte wirken. (Liebe Juristen, das ist keine Tatsachenbehauptung, sondern nur eine Überlegung, eine Meinungsäußerung. Einfach mal so nach dem Motto: Das wird man doch wohl denken dürfen.)
Zur Erinnerung: Am 24. Febraur 2011 startet lokalnews.de. Frisch, fröhlich und frei in Passau. Total lokal für Passau. „Auch in Konkurrenz zum Medienimperium der Passauer Neuesten Nachrichen.“
Dass diese über den Wochenblatt-Verlag mit 80 Prozent an lokalnews.de beteiligt sind, wird nirgendwo eigenständig kommuniziert, aber auch nicht „verheimlicht“, wie Daniel Wildfeuer beteuert, denn das könne man ja im „Handelsregister nachlesen“.
Auch wenn das eine seltsame Idee von „Transparenz“ ist, eine Lüge ist es nicht.
So ein junges Medium hat zum Start sicher alle Hände voll zu tun und sicher geht auch das eine oder andere schief – das macht es menschlich.
Am 24. Februar 2011 erscheint im Internet um 14:06 Uhr (Printausgabe nicht überprüft) auf sueddeutsche.de der Text: „Tabubruch auf Frequenz 91,6“
Am 25. Februar 2011 erscheint um 09:17 Uhr auf lokalnews.de ein Bericht, der über die Aktion des Senders in Aschaffenburg „berichtet“. Darin heißt es:
„Klar, die Aktion ist provokant. Lustig findet das nicht jeder. Trotzdem, meint Schwartz, „wird das von den Medien auch hochgekocht. Wir finden die Aktion nicht so schlimm.“
Klasse Aktion – in Aschaffenburg „knallt“ es und die superfixe (siehe oben) Redaktion von lokalnews.de überlegt: „Hey, wir haben doch auch ein Radio Galaxy in Passau – da fragen wir doch gleich mal nach…“
Gedacht – gemacht und flott berichtet. Und es gibt „sensationelles“ zu berichten: Man „weiß nicht, ob man das auch macht“, ist „nicht so schlimm“, schreibt lokalnews.de und ist ganz nah dran.
Und:
„Die Galaxy-Kollegen in Passau sind selbst erst durch Medienberichte auf die Aktion aufmerksam geworden. „Die 13 Lokalredaktionen arbeiten unabhängig voneinander und eigenverantwortlich“, erklärt Hendrik Schwartz.“
Also ungefähr so „unabhängig“ und „eigenverantwortlich“ wie lokalnews.de. Das hat schließlich Daniel Wildfeuer voller Empathie versichert (siehe oben).
Zu den Fakten: An der Radio Galaxy-Gruppe hält die Verlagsgruppe Passau (Passauer Neueste Nachrichten, Wochenblattverlag, usw.) über die Passauer Neue Medien Gmbh 41,6 Prozent der Anteile. Geschäftsführer ist Franz Wimberger.
In der Konzern-Übersicht ist die Radio Galaxy-Gruppe als „Minderheits-Beteiligung“ aufgeführt. Geschäftsführer ist Franz Wimperger:
Tatsächlich ist die „Minderheitsbeteiligung“ eine „Mehrheitsbeteiligung“, denn die VGP hält die meisten Anteile. Nach ihr kommt erst der Medien-Tycoon Gunther Oschmann mit Tele Regional Hörfunkanbieter GmbH (32,23%) – das Oschmann-Imperium hält rund 60 Radio- und Fernsehbeteiligungen sowie Anteile an Verlagen.
Verwirrend? Kann sein. Vielleicht ist das auch gewollt – mit den vielfältigen Überkreuzbeteiligungen. Wenn Sie da nicht durchblicken, müssen Sie nicht frustriert sein. Es ist fast nicht möglich, das zu überblicken.
Wie gut, dass sich der fixe und smarte Daniel Wildfeuer, der hoffnungsvoll-dynamische „Start-Up“-Unternehmer sich trotz all dieser „Unübersichtlichkeit“ eine „vertragliche Unabhängigkeit“ hat zusichern lassen. Trotz 80-Prozent-„Finanzbeteiligung“, die aber inhaltlich „keine Rolle spielt“.
A propos Inhalte. Daniel Wildfeuer, der „vertraglich unabhängige Unternehmer“ sollte sich vielleicht mal anschauen, wie sich das Unternehmen, das 80 Prozent der Anteile an „seiner Idee“ hält, selbst darstellt:

Wie man dieses Schaubild verstehen muss, entscheidet jeder selbst. Klar ist: die VGP-Gruppe ist ein Konzern. Quelle: VGP
Und nach danach sollte Herr Wildfeuer vielleicht in sich gehen und seinen eigenen Anspruch von „Unabhängigkeit“ und „100% lokal“ und „I love Passau“ und all der anderen „Promotion“ nochmals auf Fehler im System überprüfen.
Bei der „System-Check“-Frage, was „100% lokal“ ist, kann er gerne bei dieser Übersicht beginnen und der „Überlegung“, was an einer Entfernung von 400 Kilometern noch „lokal“ ist:

"100% lokal"? - lokalnews hat bereits am zweiten Tag des Erscheinens eine "unabhängige Nachricht" auf der Seite, die eigentlich 400 Kilometer entfernt stattfindet. Quelle: Google Maps
Die Antwort wird vermutlich „smart“ sein und könnte so lauten: „Es geht doch nicht um die Entfernung an sich, sondern darum, dass ein Sender für einen Skandal gesorgt hat, der durch „die Medien“ aufgeblasen wurde. Das ist zwar „weit weg“, aber der Sender ist auch hier bei uns. Wir haben das lokalisiert und nachweisen können: die Aufregung ist unbegründet.“
Die Nachfrage könnte so lauten: „Der Mehrheitsgesellschafter des „Skandal-Radio-Senders“, der sich selbst als „Minderheitsgesellschafter“ sieht, ist auch mit 80 Prozent „Finanzanlage“ in dem Unternehmen investiert, bei dem Sie Geschäftsführer sind. Sehen Sie die Ihnen „vertraglich garantierte Unabhängigkeit „gefährdet?
Darauf wird Herr Wildfeuer vermutlich antworten: „Wie kommen Sie denn jetzt darauf. Ganz ehrlich: Ich verstehe nicht, was Sie meinen.“
Darauf könnte man antworten: „Ganz ehrlich, Herr Wildfeuer? Ich finde 100% lokal so ziemlich 100 Prozent daneben.“
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